Roboter sind in. Zeitschriften, Nachrichten oder Blogs bringen hunderte von Beiträgen darüber, wie diese und jene Technologie unser Leben revolutionieren wird. Mal geht es um autonome Taxis. In anderen Fällen um Mikrostrukturen, die irgendwas in unserem Körper anstellen sollen. Schließlich wird auch reine Software in der Prozessautomatisierung “Roboter” genannt.
Wenn man anfängt, sich mit Robotern und Bots zu beschäftigen, kann dieses Chaos schnell einschüchtern.
Mir hat zum Start sehr geholfen, ein eigenes Verständnis zu entwickeln, was für mich persönlich ein Roboter ist. Dieses Verständnis und wie ich dazu gekommen bin, findest du in diesem Text. Es gibt dir hoffentlich etwas Orientierung und macht den Einstieg in die Roboter-Welt ein Stück einfacher. Ich würde mich freuen, wenn auch du selbst dir ein paar Gedanken über dein persönliches Verständnis machst, während du den Text liest. Gerne kannst du sie mit mir auch teilen. Ich freue mich von dir zu hören!
Aus der industriellen Sicht ist der Roboter in erster Linie ein automatisches Werkzeug
Schon in der Schule lernen wir: In einer Erörterung kommt zuerst die Definition. Was wäre da naheliegender, als erstmal eine Google-Suche nach “Definition Roboter” zu starten. Tatsächlich findet man bereits diverse etablierte Aussagen dazu, was unter einem Roboter zu verstehen sei. Allerdings stammen diese in häufig aus der Industrie. Schließlich waren bis weit in die 90er Jahre fast alle Roboter des Planeten mit dem Zusammenbauen von Autos beschäftigt.
Da wäre zum Beispiel die ISO-Norm Nr. 8373:2012. Ein Roboter definiert sich danach wie folgt:
actuated mechanism programmable in two or more axes with a degree of autonomy, moving within its environment, to perform intended tasks
Oder die Definition der Robotics Industries Association (RIA) für Industrieroboter:
an automatically controlled, reprogrammable multipurpose manipulator programmable in three or more axes which may be either fixed in place or mobile for use in industrial automation applications
Schon auf den ersten Blick lesen sich diese Definitionen sehr ähnlich. Weitere Statements aus dem industriellen Umfeld, z. B. des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE), schlagen in die gleiche Kerbe.
Die genannten Definitionen sprechen wichtige Eigenschaften an: Roboter haben was mit Programmierung zu tun. Sie bewegen sich. Sie erledigen Aufgaben. Die Beschreibungen passen sicherlich für einarmige Industriemaschinen, die in riesigen Hallen schweißen, lackieren oder Blechteile heben. “Intelligenz” als Wahrnehmung der Umwelt und das Verständnis der eigenen Aufgabe kommen aber gar nicht vor. Selbst die Japan Robotic Association (JARA) mit ihrer aus sechs unterschiedlichen Roboter-Klassen bestehenden Definition fängt intelligente Maschinen gerade so in der letzten ein.
Auch in Enzyklopädien wird auf die Intelligenz eines Roboters nicht eingegangen
Allgemeine Wissenssammlungen bieten ebenfalls Roboter-Begriffserklärungen an. An der Stelle lasse ich Wikipedia mal aus – wer hier gelandet ist, war sicherlich schon auf der Seite. Stattdessen konzentriere mich lieber auf die “alte Schule”.
Der gute alte Duden hat zwei relevante Erklärungen parat:
(der menschlichen Gestalt nachgebildete) Apparatur, die bestimmte Funktionen eines Menschen ausführen kann; Maschinenmensch
und
(mit Greifarmen ausgerüsteter) Automat, der ferngesteuert oder nach Sensorsignalen bzw. einprogrammierten Befehlsfolgen anstelle eines Menschen bestimmte mechanische Tätigkeiten verrichtet
Auch die Encyclopædia Britannica liest sich ähnlich:
any automatically operated machine that replaces human effort, though it may not resemble human beings in appearance or perform functions in a humanlike manner
Spannend ist, dass der Roboter in beiden Nachschlagewerken als mechanischer Ersatz für den Menschen dargestellt wird. Dystopisches Hollywood lässt grüßen. Außerdem kennen wir einen anderen Begriff für mechanische Unterstützung bei der Arbeit: Werkzeuge. Noch lange nicht alle davon sind Roboter. Auch den oben dargestellten Aussagen fehlt es aus meiner Sicht daher an Präzision. Insbesondere auf intelligente Fähigkeiten wird hier ebenfalls nicht eingegangen.
Aktuellere Aussagen betonen die Entscheidungsfähigkeit des Roboters
In älteren Definitionen spielt die Wahrnehmung des Roboters, das Verstehen der Umwelt und der eigenen Tätigkeit also kaum eine Rolle. Gerade in den letzten Jahren hat sich die Roboter-Landschaft aber extrem gewandelt und das Thema erfährt eine besondere Aufmerksamkeit. Es überrascht daher kaum, dass aktuelle Versuche einer Definition dieser Fähigkeit eine zentrale Rolle einräumen.
Rodney Brooks, CTO von Rethink Robotics, schreibt zum Beispiel auf einer Seite der IEEE:
A robot is an autonomous machine capable of sensing its environment, carrying out computations to make decisions, and performing actions in the real world.
Die Wissenschaftler, von WIRED zum selben Thema befragt, sehen ebenfalls die Intelligenz des Roboters im Kern einer möglichen Definition. Ein Roboter müsse selbstständig Entscheidungen treffen können, wie zum Beispiel einem Hindernis ausweichen. Eine hinreichend komplexe Interaktion mit der Umwelt sei dabei Voraussetzung, um einen Roboter von einem einfachen elektromechanischen Gerät zu unterscheiden.
Die spannendste akademische Definition, die ich bei meiner Suche gefunden habe (allerdings auf Seite 3 meiner Google-Suche) stammt von Richards & Smart:
“A robot is a constructed system that displays both physical and mental agency, but is not alive in the biological sense.”
Das Verständnis verändert sich also von einem Befehle ausführenden Manipulator zu hin zu einem autonomen Roboter mit kognitiven Fähigkeiten. Die Wahrnehmung der Umwelt über Sensoren und die Interaktion mit dieser, zum Beispiel mit Hilfe von KI, spielen in der aktuellen Arbeit mit Robotern eine sehr große Rolle. Gerade die neuen Definitionen greifen diese Änderung auf und erachten Intelligenz als zentral für einen Roboter.
Eine moderne Roboter-Definition erfordert eine Abgrenzung zur alten Sichtweise
Josehp Engelberger, der Vater der industriellen Robotik, hat mal über Roboter gesagt:
“I don’t know how to define one, but I know one when I see one!”
Im Lichte der unterschiedlichen Definitionsversuche versteht man, wie viel Wahrheit in diesem Satz steckt. Vielleicht ist es einfacher zu beschreiben, was ein Roboter nicht ist. Daher ein paar meiner persönlichen Gedanken dazu vorweg:
- Ein Roboter muss nicht wie ein Mensch aussehen. Viel häufiger ist das Gegenteil der Fall: Die Form wird durch die Funktion vorgegeben.
- Ein Automat ist noch lange kein Roboter. Übrigens, Automaten sind ebenfalls Maschinen, die eine Aufgabe aus einer Reihe von Arbeitsschritten ohne Eingriff durch Bediener erledigen können. Sei es Wäsche waschen, Coke-Flaschen ausspucken oder Teile von A nach B transportieren. Aber eben nur diese eine. Ein Roboter muss mehr können und flexibel sein.
- Ein konkreter Nutzen für den Menschen ist keine Voraussetzung, um einen Roboter als solchen zu erkennen. Eine Drohne, die einfach nur zu Forschungszwecken rumfliegt, ohne dabei Pakete zu liefern, ist dennoch ein Roboter.
Obwohl die industrielle Sicht nach wie vor am häufigsten für eine Definition von Robotern herangezogen wird, reicht sie aus meiner Sicht für eine moderne Auseinandersetzung mit der Robotik nicht mehr aus. Daher ist es wichtig, sich heute davon abzugrenzen. Gerade autonome Roboter, die mit Menschen zusammenarbeiten und komplexe Aufgaben erledigen können, versprechen in den kommenden Jahren die größten Fortschritte. Daher glaube ich, dass wir einen anderen, offeneren Blick auf Roboter brauchen.
Ein Roboter ist eine Maschine, die ihre Umwelt wahrnimmt und mit ihr interagiert
Wie ist nun also die für diese Seite grundlegende Roboter-Sichtweise? Ich denke, ein Roboter lässt sich mit der Kombination zweier Dimensionen definieren: Seiner Physiologie und seiner Fähigkeiten.
Ein Roboter ist eine künstliche physische Struktur, eine Maschine, die einen eigenen Antrieb besitzt, sowie zumindest zum Teil aus beweglichen Teilen, einer programmierbaren Steuereinheit und Sensoren besteht.
In der Literatur wird dann von Sensoren, Steuereinheit und Aktoren gesprochen. Die ersteren nehmen die Umwelt wahr, die Steuereinheit interpretiert die Signale und leitet Befehle an die Aktoren weiter, die den Roboter in einen anderen Umweltzustand bringen.
Ein Roboter nimmt diverse unterschiedliche Faktoren seiner Umwelt wahr, baut daraus im Rahmen seiner Tätigkeit benötigtes eigenes Umweltmodell und trifft auf dessen Basis komplexe Entscheidungen, um mit der wahrgenommenen Umwelt zu interagieren.
Häufig spricht man vom Dreiklang aus sense, compute (think), act. Entscheidend ist, dass die Maschine unterschiedliche Aspekte der Umwelt wahrnimmt und interpretiert. Ein einfaches “entweder … oder …” auf der Basis eines Parameters reicht nicht aus. Eine KI ist nicht gleich ein Roboter, aber viele neue Roboter nutzen KI, um immer komplexe Aufgaben zu übernehmen und “intelligente” Entscheidungen zu treffen.
Verbindet man beide Aussagen miteinander, entsteht ein Bild einer im Rahmen ihrer (benötigten) Fähigkeiten denkende und handelnde Maschine. Dieses zukunftsgerichtete Verständnis eines Roboters ist aus meiner Sicht eine gute Basis, um tiefer in die Materie einzusteigen und die spannenden Roboter von den weniger spannenden abzugrenzen. Wie bereits erwähnt, bist du natürlich herzlich eingeladen, deine eigenen Ideen und Erfahrungen mit mir zu teilen. Nutze dazu gern einfach das Kontaktformular.
Software-Bots sind keine Roboter, aber viele Aspekte gelten für sie ebenfalls
Bei Prozessautomatisierung und solchen Plattformen wie UiPath oder Automation Anywhere spricht man auch häufig von Software-Robotern. Nicht umsonst heißt die Technologie Robotic Process Automation (RPA). Kann man diese Software zurecht ebenfalls als Roboter ansehen?
Nach der oben entwickelten Definition sind Software-Roboter keine Roboter sondern Bots. Auch wenn man den Code, die Software eines Bots klar von anderer Software trennen kann, fehlt ihnen die physische Umsetzung. Daneben unterscheiden Voraussetzungen und Regeln der digitalen Welt stark von denjenigen unserer physischen Umwelt. Dennoch lassen sich einige Konzepte der Roboter-Welt auch auf Bots übertragen. Daher werde ich mich auf dieser Seite auch mit Bots auseinandersetzen und dir spannende Einblicke dazu geben. Beginnen werde ich ebenfalls mit einer Mini-Serie aus Posts zu ein paar Grundlagen von RPA. Stay tuned!
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